Mutter-Tochter-Konflikt lösen: Zwischen Nähe und Distanz

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Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist etwas Besonderes. Sie beginnt schon vor der Geburt und prägt wie keine andere das gesamte Leben des Kindes. Das Verhältnis von der Mutter zur Tochter ist häufig Konflikt anfälliger als das zum Sohn, da sich die Mutter in ihrer Tochter auf andere Weise wieder zu finden sucht. Nicht selten projiziert sie unerfüllte Wünsche auf ihr Kind und entwickelt damit unbewusst eine hohe Erwartungshaltung. Manchmal wünscht sie sich die Tochter als ihr Ebenbild, manchmal als das, was sie nie werden konnte.

Auch ihr Verhältnis zu Männern sowie ihr Männerbild beeinflussen, wie die Tochter später Männer einmal sehen wird. Umgekehrt sieht die Tochter in einer liebevollen Mutter während der Kindheit ein Vorbild, dem sie nacheifern möchte. Welches kleine Mädchen schlüpft nicht gern in die Kleider und viel zu großen Schuhe der Mama und probiert vor dem Spiegel ihren Lippenstift aus?

Mutter-Tochter-Konflikt lösen: Von Geburt an eine komplizierte Beziehung

Das Verhalten der Mutter dem Kleinkind gegenüber entscheidet, wie sich das Verhältnis entwickelt und ob erste Risse in der Beziehung schon während der Kindheit entstehen. Mögliche Auslöser für einen späteren Konflikt können Abweisung, emotionale Distanz, Unzuverlässigkeit, übertriebene Kontrolle, Egoismus, aber auch Schwäche oder Angst vor Überforderung seitens der Mutter sein. Um einen entstandenen Konflikt lösen zu können, ist es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen, was in der Beziehung zwischen Mutter und Tochter von Anfang an alles falsch gelaufen sein kann.

Böse Mutter, gute Mutter

Auch in einem harmonischen Mutter-Tochter-Verhältnis kommt es zu Missverständnissen, Wut, Streit, Traurigkeit und Kränkung. Die negativen Gefühle lassen sich jedoch in einer gesunden Beziehung schnell wieder aus der Welt schaffen. Auch Mütter sind Produkte der Sozialisation durch ihre Eltern und können deshalb bei der Erziehung ihrer Kinder schlecht über ihren eigenen Schatten springen. In ihrem Buch „Böse Mutter – gute Mutter“ beschäftigt sich die Körperpsychotherapeutin Sam Jolig mit verschiedenen Muttertypen und beschreibt, welche möglichen Reaktionen das Verhalten der Mutter bei ihrer Tochter hervorruft. Entweder eifert die Tochter ihrer Mutter in allem nach und wird wie sie, oder sie rebelliert, lehnt sich gegen sie auf und wird zum kompletten Gegenteil.

Als Muttertypen charakterisiert sie die unterdrückende, die konkurrente, die überbehütende, die ambivalente und die leistungsorientierte Mutter, deren eigene ungelöste Probleme sich in ihrem Erziehungsstil widerspiegeln. Doch ganz gleich, wie sehr man als Tochter unter der Mutter gelitten haben mag, es hilft nicht, sie zu hassen und abzulehnen. Schließlich ist man ein Teil von ihr und wird es immer bleiben.

Der Schritt ins Erwachsenenleben

Auch in einem liebevollen Mutter-Tochter-Verhältnis kommt es mit der Pubertät zu Veränderungen. Häufig zum Unverständnis der Mutter distanziert sich die Tochter zunehmend, geht auf Abstand und hat plötzlich Geheimnisse. Galt die Mutter vor kurzem noch als Orientierungshilfe, lehnt sich die Tochter jetzt gegen sie auf. Diese Phase der Abnablung wird von schmerzhaften Konflikten auf beiden Seiten begleitet. Der Mutter hilft es, die Auseinandersetzungen nicht allzu persönlich zu nehmen und die Suche ihrer Tochter nach ihrer eigenen Persönlichkeit so gut es geht zu akzeptieren.

Auch wenn die Tochter in dieser Zeit fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt zu sein scheint, fühlt sie sich besser mit dem Gefühl, von der Mutter in ihrer Veränderung akzeptiert zu werden. Müttern fällt es oftmals schwer, das Kind auf der Schwelle zum Erwachsenwerden loszulassen. Abnabelung ist jedoch nicht gleichbedeutend mit vollkommener Trennung, sondern bedeutet nur schrittweise die Verantwortung für ein eigenständiges Leben übernehmen zu wollen. Für manche Mütter ist es schmerzlich, ihren Einfluss auf die Tochter schwinden zu sehen. Gelingt das Loslassen nicht und bleiben beide Seiten unversöhnlich, entstehen Gräben, die die Beziehung auch im Erwachsenenalter noch belasten.

Ungeklärte Konflikte werden auch in späteren Jahren zwischen Mutter und Tochter bestehen bleiben. Vielleicht ist die Einsicht, dass jeder Konflikt mit dem anderen aufgrund des naturgemäß symbiotischen Verhältnisses untereinander auch immer ein Konflikt mit sich selbst ist, ein erster Schritt zum angestrebten gegenseitigen Verständnis.

mutter tochter streit

fizkes/shutterstock.com

Mutter-Tochter-Konflikt lösen: Wege zu einer gesunden Beziehung

Erkennen und miteinander ins Gespräch kommen

Die Erkenntnis so eng verbunden zu sein, ist gerade bei einem stressigen Verhältnis zueinander zunächst schmerzlich. Als erwachsene Frau erkennt die Tochter nicht nur im Spiegel Anteile ihrer Mutter bei sich, sondern auch Verhaltens- und Denkweisen sind ihr unbewusst in Fleisch und Blut übergegangen. Selbst oder sogar gerade, wenn sie sich davon distanziert, bleiben gewisse Parallelen unübersehbar. Vielleicht hat der Ehemann oder Freund, während einer Auseinandersetzung sogar mal den Vergleich zur Mutter gezogen? Sind nicht gerade die vererbten und weiter gegebenen Anteile der Mutter ein Grund, um auf einander zuzugehen und Frieden zu schließen?

Grundvoraussetzung ist, sich auf beiden Seiten die über die Jahre erlitten seelischen Verletzungen und die Wut übereinander einzugestehen und in Ruhe darüber zu reden, ohne neue Schuldzuweisungen zu treffen.

Akzeptanz

Im Vordergrund steht bei einer Versöhnung, den anderen so zu akzeptieren, wie er jetzt ist. Dazu gehört auch, sich von dem Wunschdenken, den anderen ändern zu können, zu verabschieden. Es ist nicht einfach, so ein Gespräch zu führen, ohne neue Schuldzuweisungen und Vorwürfe vorzubringen. Das gelingt nur, wenn die Tochter ehrlich sagen kann, was sie bei ihrer Mutter vermisst hat und diese offen ihre Gründe für ihr damaliges Verhalten benennen darf. Das ist schmerzlich, doch ein Neuanfang kann nur gelingen, wenn beide Seiten Verständnis für die Situation der anderen in der Vergangenheit entwickeln.

Wie in jedem anderen Beziehungsgespräch ist es wesentlich, keine Schuldzuweisungen zu treffen, sondern nur von sich selbst zu reden und zu erklären, welche negativen Gefühle das Verhalten der anderen bei sich selbst ausgelöst hat. Eine eingefahrene Situation lässt sich kaum durch ein einmaliges Gespräch lösen und beide Seiten sollten sich darüber im Klaren sein, dass aufgewühlte Gefühle zuerst verarbeitet werden müssen. Auch ein vorübergehender Rückschritt ist möglich, eine Zeit, in der Mutter und Tochter ihre aufgebrochenen Wunden heilen lassen.

Verzeihen lernen und gemeinsame Zeit vereinbaren

Einander die Fehler aus der Vergangenheit verzeihen zu können, ist Grundvoraussetzung für einen guten Neuanfang. Die Fähigkeit, falsches Verhalten wirklich zu bereuen, hilft dabei. Ein Bestandteil des Verzeihens kann sein, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, wie sich der Rückfall in alte Schuldgefühle und Schuldzuweisungen vermeiden lassen. Wenn die Tochter Verständnis für die Situation der Mutter entwickelt und die Mutter begreift, dass die Tochter ihren eigenen Weg gehen musste, ist der Schritt zu einer richtigen Versöhnung eingeschlagen. Ganz gleich zu welcher Zeit im Leben, Mutter und Tochter wieder auf einander zugehen, beiden sollte bewusst sein, wie kostbar gemeinsam verbrachte Zeit nach einer Versöhnung ist.

Auseinandersetzungen gehören zu einer so emotionalen Beziehung einfach dazu. Begegnet man sich mit gegenseitigem Respekt lässt sich die verloren geglaubte Liebe wieder finden.  Haben sich Mutter und Tochter im Lauf der Jahre so entzweit, dass kein konstruktives gemeinsames Gespräch mehr zustande kommen kann, dann ist es für das eigene Seelenheil unerlässlich, die entstandene Distanz zu akzeptieren, anstatt darüber zu verbittern. Dabei hilft vielleicht auch, gemeinsame Momente des früheren Lebens zu erinnern, die schön waren.

 

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